Blog Post

Haareis

Wolfgang Lechler • 23. Dezember 2023

Wie oft hat man schon die Möglichkeit direkt vor der eigenen Haustüre ein seltenes Naturphänomen zu sehen? Nicht allzu oft, denke ich und es als ein solches wahrzunehmen ist nicht selbstverständlich. Vorigen Herbst habe ich dieses zum ersten Mal entdeckt. Bei einem Spaziergang sah ich „weiße Flecken“ im Wald. Das fand ich seltsam, denn es lag kein Schnee und in der Nacht hatte es nicht geschneit, sondern wie schon die Tage zuvor geregnet. Das machte mich neugierig und ich wollte mir die Sache genauer ansehen.   


Bei näherem Betrachten sah es aus wie in Streifen aufgebrochenes Eis. Gut, die Temperatur an diesem Morgen lag um die O° C, aber alles drumherum war nicht gefroren, es gab auch keinen Raureif. Nur an ein paar wenigen Ästen in unmittelbarer Umgebung war dieses seltsame Gebilde zu sehen. Wieder Zuhause recherchierte ich sofort im World Wide Web, um heraus zu bekommen was ich da gesehen habe. Und ich war noch mehr fasziniert, als ich las was ich da las.


Es braucht ganz bestimmte Wetterbedingungen, damit sich diese Naturerscheinung bildet und letztes Wochenende herrschten genau solche: es hat die letzten Tage viel geregnet, es war kalt aber gerade noch nicht gefroren, es war schneefrei und es hatte eine hohe Luftfeuchtigkeit. Ideale Bedingungen. Also warme Klamotten an, raus und in einem nahegelegenen Laubmischwald auf die Suche. Und was soll ich sagen: Volltreffer.


Die erste wissenschaftliche Erwähnung fand das Haar- oder auch Kammeis bereits im Jahre 1833. Sir John Herschel beschrieb es in der Zeitschrift "The London and Edinburgh Philosophical Magazine and Journal of Science". Niemand geringerer als der bekannte Meteorologe Alfred Wegener befasste sich 1918 damit. Aber so richtig konnte und kann man sich bis heute die genaue Entstehung nicht ganz erklären.


Die von Wegener angenommene Vermutung bestätigte allerdings 2008 eine Studie von Gerhart Wagner und Christian Mälzer. Hier ein Auszug: Haareis wird durch das Myzel winteraktiver Pilze (Exidiopsis effusa, auch Rosagetönte Gallertkruste genannt, war in allen untersuchten Proben vorhanden) ausgelöst, deren aerober Stoffwechsel Gase produziert, die das im Holz vorhandene leicht unterkühlte Wasser an die Oberfläche verdrängen. Dort gefriert es und wird durch nachdrängende, beim Austritt aus dem Holz ebenfalls gefrierende Flüssigkeit weitergeschoben.


Doch auch die Dichteanomalie des Wassers, nach der Wasser bei 4 Grad Celsius seine größte Dichte hat, und Sublimationsvorgänge spielen wohl eine Rolle. Wie auch immer, wenn Sie zufällig bei einem Spaziergang „weiße Flecken“ an rindenfreien Stellen von Totholzästen sehen, treten Sie näher, denn es lohnt sich diese wie Zuckerwatte aussehende Gebilde näher zu betrachten. Sie sind etwas Besonderes.


Bis bald und bleiben Sie neugierig,

Wolfgang Lechler


von Wolfgang Lechler 18. Januar 2025
Wie schnell doch so ein Jahr vergeht. Es sind doch tatsächlich 362 Tage vergangen seit ich das letzte Mal an diesem kleinen Bachlauf entlanggelaufen bin, um nach interessanten Eisgebilden zu schauen.
von Wolfgang Lechler 26. August 2024
Wie beim vorangegangenem Blog 45 angekündigt, gibt es nun die Fortsetzung zum Thema Gestein. Einige Fotografien dieser Ausgabe entstanden in derselben Bucht wie zuvor, die anderen an angrenzenden Küstenabschnitten im Westen der Bretagne . Waren es im letzten Blog formatfüllende Ausschnitte auf denen der Fokus lag, ist hier der Aufnahmestandort etwas weiter entfernt gewählt.
Wunderwelt der Gesteine
von Wolfgang Lechler 11. August 2024
Manchmal sind es die Nebenschauplätze, die besondere Entdeckungen versprechen. Wir waren an der Küste der Bretagne unterwegs, auf dem Weg uns ein vielbeschriebenes Kap anzusehen.
Kreative Blumenfotografie
von Wolfgang Lechler 12. April 2024
Das Inszenieren von Szenen ist üblicherweise nicht meine Herangehensweise bei „meinem“ Fotografieren. Gut, ich biege mal einen Halm oder Zweig zur Seite oder puste Staub – unglaublich wie unreinlich die Natur durch ein Makro-Objektiv betrachtet ist – von einem Blatt, aber sonst lasse ich die Dinge wie sie sind.
von Wolfgang Lechler 9. Februar 2024
Der Januar 2024 war der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und der achte Monat in Folge mit einem Temperaturrekord. Im Südosten Spaniens wurden erstmals in Kontinentaleuropa über dreißig Grad im Januar gemessen. Ich weiß nicht wie es ihnen dabei geht, wenn sie solche Daten in den Nachrichten hören oder darüber nachdenken, wie oft sie dieses Jahr die Schneeschaufel in der Hand hatten.
von Wolfgang Lechler 3. Dezember 2023
Was hat ein Muttermal mit dem Dom in St. Blasien zu tun? Oder besser gesagt, mit diesem Blogbeitrag darüber? Bevor Sie jetzt Mutmaßungen über Ähnlichkeiten in der Form anstellen, gebe ich Ihnen lieber direkt die Antwort: es ist der Ärztemangel! Denn dieser zwang mich viele Kilometer in das kleine Kurort-Städtchen St. Blasien im oberen Albtal zu fahren. Da bot es sich an, das Notwendige mit dem Schönen zu verbinden und die Fahrt mit einem Besuch des weit über den Schwarzwald hinaus bekannten Doms zu verknüpfen.
ARoS Aarhus Kunstmuseum
von Wolfgang Lechler 16. Oktober 2023
Entspannen, schauen, staunen und mich inspirieren lassen, manchmal wundern über Altes und auch Neues, doch dabei stets ein Stück der Welt erfassen . Ich gehe gerne ins Museum.
Esel. Grautier. Eselsauge.
von Wolfgang Lechler 27. August 2023
Der ursprünglich aus Afrika stammende Esel erfreut sich in den letzten Jahren auch bei uns einer zunehmenden Beliebtheit. Immer öfters sehe ich ihn, zumeist gemeinsam mit Pferden, auf Weiden in unserer näheren Umgebung stehen. Was nicht immer gut ist, denn der Esel ist kein „kleines Pferd“ , auch wenn er zu deren Gattung gehört. Er lebt am liebsten in einem Gruppenverband unter seinesgleichen.
Tauziehen. Deutsche Meisterschaften. Tauziehfreunde Böllen.
von Wolfgang Lechler 6. August 2023
Das war das erste Mal, dass ich beim Tauziehen war und das erste Mal, dass ich auf einem Sportevent fotographisch unterwegs war. Eine neue Disziplin sozusagen. Mit neuen Herausforderungen die zu meistern waren, aber auch einer guten Gelegenheit Menschen zu fotografieren, was ansonsten nicht immer so problemlos möglich ist. Zumindest, wenn man nicht mit dem Smartphone, sondern mit einem 200-er Tele herumläuft.
Museum Lugdunum in Lyon. Römisches Museum
von Wolfgang Lechler 8. Juli 2023
Frankreich gefällt mir. Schon oft war ich dort. Im Norden, im Süden, im Westen, im Osten und in der Mitte. Auch in Paris. Aber an Lyon, der drittgrößten Stadt Frankreichs, führte der Weg bisher immer vorbei. Doch diesmal nicht. Und es war nicht nur ein Zwischenstopp, sondern wir verbrachten eine ganze Woche in diesem Welterbe der UNESCO mit einer zweitausend jährigen Geschichte. Auf die Spuren dieser Vergangenheit kann man sich u. a. bei einem Besuch des Musée Romain machen. Heute trägt es den Namen der hier früher gelegenen römischen Stadt Lugdunum .
Show More
Share by: