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Nebelbäume

Wolfgang Lechler • 28. November 2021

„Bei Nebel musst du aufpassen“, diesen Rat von meinem Vater habe ich immer sehr ernst genommen, steckt doch eine sehr intensive Kindheitserfahrung von ihm hinter diesen Worten. Seine Geschichte ist zwar nicht so bekannt wie die Irrfahrt von Odysseus, der am Ende seine Heimat Ithaka im dichten Nebel nicht mehr erkannte, beeindruckte mich persönlich aber durchaus nachhaltiger. Wer wissen will wie es weiter ging siehe unten.

In unserem Alltag hat der Nebel seinen Schrecken größtenteils verloren und stellt für uns heutzutage zumeist nur als Verkehrsteilnehmer eine Gefahr dar. In der Regel finden wir ihn einfach nur lästig.

Mit diesem Beitrag möchte ich dem schlechten Image des Nebels etwas entgegenwirken. Er hat durchaus seine reizvolle Seite und diese mit der Kamera einzufangen ist ein besonderes Erlebnis. Wenn der innere Schweinehund erstmal überwunden ist, empfinde ich es immer schön am frühen Morgen bei Sonnenaufgang durch die Natur zu laufen. Im November hat man den Vorteil, dass man dazu nicht allzu früh aufstehen muss. War die Nacht kalt und die Luftfeuchtigkeit relativ hoch, stehen die Chancen nicht schlecht, dass die Luft stark genug abkühlt, um durch Kondensation Wassertröpfchen zu bilden.


Legt sich dieser Aerosol – Schleier in Bodennähe über die Landschaft entsteht eine ganz besondere Stimmung. Selbst wenn man die Umgebung gut kennt, nimmt man sie im Nebel ganz anders war. Landschaftselemente tauchen zunächst schemenhaft in der Ferne auf und bilden zum Teil ganz eigene Formen. Seine Fantasie kann man dabei frei gestalten lassen. Ist der Nebel so dicht, dass kein Himmel zu sehen ist, verkleinert sich die Welt auf die unmittelbare Umgebung und bildet einen eigenen umhüllten Raum.


Man ist sich darin nicht immer sicher, ob man seinen Augen trauen kann, Farben und Konturen verschwimmen. Dafür werden unsere anderen Sinne wacher, vor allem das Gehör, wobei es hier schwer fällt den Geräuschen eine Richtung zu geben. Besonders eindrucksvoll wird das Szenario, wenn es die Sonne geradeso schafft mit ihren Strahlen sichtbar auf den Boden zu gelangen.


Ein Motiv das mich generell sehr anspricht sind Bäume, egal welche Art und zu welcher Jahreszeit. Es ist November und die Chancen für Nebel waren schon seit langen nicht mehr so gut. Warum nicht beides kombinieren? dachte ich mir. Also machte ich mich auf den Weg um Bekanntes neu zu entdecken und den Schleier etwas zu lüften. 


Bis bald und bleiben Sie neugierig

Wolfgang Lechler


„Bei Nebel musst du aufpassen“, diesen Rat von meinem Vater habe ich immer sehr ernst genommen, steckt doch eine sehr intensive Kindheitserfahrung von ihm hinter diesen Worten.

Als Kind musste er und seine Geschwister sich immer frühmorgens zu Fuß auf den 5 km langen Schulweg vom elterlichen Bauernhof bis ins nächste Dorf machen, und dies nicht durchgehend auf einem befestigten Weg, sondern zum Teil quer übers Land, und nach der Schule natürlich wieder zurück.

Einer dieser Heimwege blieb ihm besonders in Erinnerung. Es war an einem Herbsttag im November 1948. Die Nächte waren bereits recht kalt, recht kalt auf der Schwäbischen Alb, also recht kalt. Das erste Stück des Weges brachten sie noch gut gelaunt und schnell hinter sich. Sie kannten den Weg vom täglichen Marsch wie die sprichwörtliche Westentasche. Dass die Sicht schlechter wurde beunruhigte sie daher zu Anfang nicht. Doch das ist das Heimtückische am Nebel, er schleicht sich heran und verhält sich unauffällig. Unbeachtet plötzlich hatten sich genügend Wassertröpfchen in der Luft um sie herum gebildet, so dass sie eingehüllt in dieses Aerosol einander kaum noch sehen konnten.

Auf dem Morgenweg hatten sie sich noch mit Schneebällen beworfen und sich über den ersten Schnee der über Nacht gefallen war gefreut, doch jetzt verstärkte er ihr Orientierungsproblem erheblich. White Out nennen das die Profis. Mein Vater hatte damals (und heute) andere Worte dafür. Als ihnen gewahr wurde, dass sie keine Ahnung mehr hatten in welche Richtung sie gehen mussten, kein Lichtzeichen ihnen den Weg wies, beschlossen sie zu warten und darauf zu achten zusammenbleiben.

Die Kälte kroch mangels Bewegung langsam unter die Kleider und es wurde zusehends ungemütlicher - und dunkler. Es musste entschieden werden, vor was sie mehr Angst hatten: vor dem Nebel und der Gefahr sich weiter zu verlaufen oder vor der Kälte und der Dunkelheit. Es war nicht einfach diese Entscheidung zu fällen. Sie stimmten ab und gingen weiter. Es war verrückt, kaum waren sie ein paar Schritte gegangen lichtete sich der Nebel genauso gleichgültig wie er sich gebildet hatte. Und zu ihrer Freude, sie waren instinktiv in die richtige Richtung gelaufen. Nicht mehr lange und sie erreichten durchgefroren aber froh ihr Zuhause, das zwei Jahrzehnte später auch das meine wurde.     


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