Endlich mal wieder Winter. Früher, ja früher da hatten wir häufiger richtige Winter, mit Schnee bis zur Türklinke. Man war froh genug Kartoffeln im Keller zu haben und freute sich, dass der Schulbus nicht fahren konnte. So war das zumindest, wenn man vor langer Zeit in einer abgelegenen Gegend auf der Schwäbischen Alb aufgewachsen ist. In den letzten Jahren war die weiße Pracht hingegen nur ein kurzes Intermezzo, doch heuer scheint er sich länger zu halten. Ich finde es gut auf einem Breitengrad zu wohnen auf dem es vier Jahreszeiten gibt, denn jede hat ihren besonderen Reiz und sorgt für Abwechslung.
An dem oben abgebildeten Hochsitz beim Anstieg zur Hohen Möhr im Wiesental bei Zell, bin ich bestimmt schon zehn Mal vorbeigelaufen und nie hatte er mich dazu bewegt die Kamera auszupacken um ein Foto zu machen. Der frisch gefallene Schnee änderte das. Er bildete einen guten Kontrast zu den dunklen Stämmen und dem Ansitz und reduzierte die Szenerie auf das Wesentliche. Eine Eigenschaft die ich schätze.
Unberührter Schnee ist weiß. Dieser offensichtliche Umstand ist beim Fotografieren zu berücksichtigen um ein naturgetreues Abbild zu bekommen. Da der Sensor einer Kamera auf Neutralgrau kalibriert ist, interpretiert er ein weißes Motiv automatisch als hell und belichtet ohne Gegensteuerung in der Regel zu dunkel, was den Schnee grau aussehen lässt. Es ist deshalb sinnvoll 2 – 3 Blendenwerte länger zu belichten. Bei überwiegend dunklen Objekten im Bild verhält es sich umgekehrt.
Wenn solche Bedingungen herrschen halte ich mich eher in offenem Gelände auf. Hier gibt es nicht minder interessante Motive. Wie dieser terrassenförmige Hang bei Häg-Ersberg. Der Schnee scheint wie Sahne eines Nachtisches langsam nach unten zu fließen. Vielleicht hatte ich auch nur Hunger, da ich an diesem Morgen vor dem Frühstück unterwegs war.
Auf der anderen Seite des Bergrückens führt die Straße nach Häg hinab und bietet diese Aussicht auf den südwestlichen Ausläufer der Gemeinde auf der die katholische Pfarrkirche seit den 1890er Jahren in neuromanischen Stil steht.
Durch die schon oben beschriebene Reduzierung auf das Wesentliche bietet sich der Winter für mich an mit reduzierten Farben oder ganz in Schwarzweiß zu arbeiten. Doch auch der Winter kann bezaubernde Farben hervorbringen, so wie an einem kalten, bewölkten Nachmittag am 1170 m hohen Rohrenberg mit seinen Windrädern.
Es ist schon spannend zu sehen, wie sich das Gesicht einer Landschaft im Wandel der Jahreszeiten verändert. Bekannt geglaubte Orte präsentieren sich in einem anderen Gewand. Und paradoxerweise wird gerade im Winter, wenn der Schnee die Dinge bedeckt und verhüllt, manches sichtbar was vorher im Verborgenen lag.
Bis bald und bleiben Sie neugierig,
Wolfgang Lechler